Forschungsprojekt

EZRA: Rassismus und Antisemitismus erinnern

„EZRA – Rassismus und Antisemitismus erinnern“ ist ein vom Bundesministerium für Bildung und Forschung gefördertes Verbundprojekt der Katholischen Universität Eichstätt-Ingolstadt und der Freien Universität Berlin.

Kurzbeschreibung des Projekts

Teilprojekt 1: "Eine empirische Studie zur lokalen Erinnerungsarbeit zivilgesellschaftlicher Initiativen in den Aktivitätsfeldern Nationalsozialismus, Kolonialismus und postnationalsozialistische Gewalt", geleitet von Frau Prof. Karin Scherschel (KU), wird im Verbund mit Teilprojekt 2: "Digitale Bildungsformate für die Erinnerungsarbeit zu Nationalsozialismus, Kolonialismus und postnationalsozialistischer Gewalt", geleitet von Prof. Sabine Achour (FU), umgesetzt.

Erkenntnisinteresse und Forschungsfragen

Das Projekt verfolgt das Ziel, die Bedeutung zivilgesellschaftlicher Initiativen für die öffentliche Erinnerungskultur zu erforschen. Es analysiert empirisch kontrastierend die lokale zivilgesellschaftliche Erinnerungsarbeit in drei Aktivitätsfeldern: Nationalsozialismus, Kolonialismus und postnationalsozialistische Gewalt.

Solche Initiativen tragen durch die Aufarbeitung vergangener rassistischer/antisemitischer Gewaltverhältnisse dazu bei, aktuelle Wissensproduktionen über Rassismus und Antisemitismus und deren gesellschaftliche Konsequenzen kritisch zu hinterfragen und auszuweiten. Ihr lokales Engagement erweitert – ergänzend zu schulischen Curricula und staatlich-institutionellen Erinnerungspolitiken – die Diversität der Erinnerungsarbeit. Die Initiativen geben Impulse, die die öffentliche Erinnerungskultur auch über lokale Wirkungsbereiche hinaus mitprägen. Trotz dieser erheblichen Potenziale wurden sie bislang kaum im systematisierenden Vergleich erforscht.

Die zentrale Projektthese lautet: Zivilgesellschaftliche Initiativen wenden nicht bloß nationale Diskurse und Politiken lokal an, sondern verfolgen eine eigenständige Agency, die vernachlässigte Themen und Perspektiven zur Sprache bringt und den Diskurs bottom-up mitgestaltet.

Mit dem Forschungsvorhaben verfolgt das Projekt drei Ziele und will dabei folgende Fragen beantworten:

  1. Es kartographiert das Selbst- und Problemverständnis der Initiativen: Wie definieren sie Rassismus und Antisemitismus? Welche kollektiven Identitätskonstruktionen werden mobilisiert? Welches Konzept haben sie von Geschichte, Gesellschaft und öffentlichem Diskurs? Welche (Bildungs-)Ziele setzen sie?
  2. Es analysiert den Umgang der Initiativen mit den drei Spannungsfeldern zwischen a) offiziellen nationalen Erinnerungsdiskursen und lokaler Spezifität, b) Pluralität und der Betonung der Sin-gularität und c) Erinnerungen an die heterogenen Gewaltverhältnisse von Shoah und Kolonialismus.
  3. Es systematisiert die sich aus den empirischen Befunden ergebenden Lernpotenziale für die Politische Bildung(-sarbeit) und überführt sie in Formate für eine zu entwickelnde Online-Plattform.

Projektdesign und Methode

Das Forschungsprojekt bedient sich qualitativer Methoden der empirischen Sozialforschung: Mittels einer Dokumentenanalyse sowie Gruppendiskussionen sollen die oben genannten Projektziele umgesetzt werden.

Erstens zielt die Dokumentenanalyse darauf ab, eine Kartographierung der Initiativen nach Arbeitsschwerpunkten, Selbst- und Problemverständnissen zu erstellen, erste Erkenntnisse zu ihrem Umgang mit Spannungsverhältnissen zu sammeln und die Gruppendiskussionen vorzubereiten. Die Arbeiten von ca. 20 Initiativen sind für eine tiefere Analyse der vorhandenen Materialien vorgesehen. Bei diesen Initiativen werden die Dokumente im Rahmen einer qualitativen Inhaltsanalyse ausgewertet.

Zweitens werden Gruppendiskussionen durchgeführt, um zu untersuchen, wie die Initiativen arbeiten, wie sie sich selbst, ihre Tätigkeit und ihren Gegenstand verstehen und wie sie sich zu den vorhandenen Spannungsfeldern verhalten. Die Untersuchung nutzt das Gruppendiskussionsverfahren (Bohnsack 1999), das auf die Erhebung der Relevanzsysteme der politisch Aktiven setzt. Die Auswertung erfolgt mit der Dokumentarischen Methode. Insgesamt sollen 20 Gruppendiskussionen mit Realgruppen geführt werden.

Transfer 

In einer letzten Phase des Projekts wird in einem bottom-up-orientierten Theorie-Empirie-Praxistransfer die Online-Plattform EZRA („Erinnerung, Zivilgesellschaft, Rassismus, Antisemitismus“) entwickelt. Die im Projekt gewonnenen Befunde werden in Form von Bildungsmaterialien aufbereitet und öffentlich mit dieser Online-Plattform zur Verfügung gestellt. Das Forschungsvorhaben kooperiert mit Praxispartner:innen, die sich in der Förderung demokratischer Prozesse engagieren, und schafft damit eine aktive Vernetzung von Forschung und demokratischer Öffentlichkeit. Die Online-Plattform EZRA soll ein effektives Transfer- und Kommunikationsformat bieten, das Forschungsergebnisse adressat:innenorientiert für Politik, Wissenschaft und Gesellschaft aufbereitet.

Zur Projektseite

EZRA Teilvorhaben

Digitale Bildungsformate für die Erinnerungsarbeit zu Nationalsozialismus, Kolonialismus und postnationalsozialistischer Gewalt

Prof. Dr. Sabine Achour
Freie Universität Berlin