Forschungsprojekt

GraL (Nachwuchsgruppe): Gelingensbedingungen rassismussensibler Lehrer:innenbildung. Eine rassismustheoretische Untersuchung von Studium, Referendariat und Berufseinstieg

Aktuelle Forschungen zeigen, dass Schule wie Lehrer:innenbildung nicht außerhalb von rassistischen Verhältnissen stehen. Trotz dieser hohen Relevanz bestehen für den bundesdeutschen Kontext gravierende Leerstellen in der Forschung. Insbesondere erfahren die unterschiedlichen Positionierungen von Studierenden, Referendar:innen und Lehrer:innen sowie die potenziellen Rassismuserfahrungen von (angehenden) Lehrer:innen bisher kaum Berücksichtigung.

In der Nachwuchsgruppe GraL werden daher rassismusrelevante Strukturen und Momente in den drei Phasen der Lehrer:innenbildung Studium, Referendariat und Berufseinstieg untersucht. Dabei zielt GraL auf die Rekonstruktion, Analyse und Theoretisierung von Bedingungen, die das Gelingen einer rassismussensiblen Lehrer:innenbildung tendenziell ermöglichen und eine damit verbundene Etablierung rassismussensibler Perspektiven pädagogischer Professionalität.

Forschung

Bildungsräume wie Schule stellen zentrale Institutiuonen dar, in denen rassismusrelevantes Wissen weitergegeben und Akteur:innen anhand rassistischer Differenzverhältnisse unterschieden werden. Die Schule ist damit maßgeblich an der Re-Produktion rassistischer Verhältnisse beteiligt. Für die Professionalisierung (angehender) Lehrer:innen im Hinblick auf das Handeln in der Schule ist die Lehrer:innenbildung ein bedeutsamer Ort. Für diesen werden immer wieder Leerstellen hinsichtlich der Auseinandersetzung mit Rassismus markiert.

Die Nachwuchsgruppe widmet sich diesen Leerstellen in empirischer und konzeptioneller Art und Weise und untersucht rassismustheoretisch die drei Phasen der Lehrer:innenbildung Studium, Referendariat und Berufseinstieg.

Ziele

  1. Bedingungen
    Die Rekonstruktion, Analyse und Theoretisierung von Bedingungen, die das Gelingen einer rassismussensiblen Lehrer:innenbildung tendenziell ermöglichen
  2. Erfahrungen
    Identifizierung von Ausschlussmechanismen von Lehrer:innen, die potentiell Rassismuserfahrungen machen
  3. Pädagogische Professionalität
    Etablierung rassismussensibler Perspektiven pädagogischer Professionalität
  4. Erziehungswissenschaftliche Rassismusforschung
    Institutionalisierung und Professionalisierung erziehungswissenschaftlicher Rassismusforschung mit Blick auf Lehrer:innenbildung

Vorhaben, Design der Studie

Die Nachwuchsgruppe führt eine grundlegende rassismustheoretische Untersuchung der drei Phasen der Lehrer:innenbildung mit Blick auf rassismusrelevante Strukturen und Momente der Lehrer:innenbildung durch. Die strukturellen Bedingungen werden in Form einer diskursanalytischen Dokumentenanalyse rekonstruiert. Zur Rekonstruktion der Erfahrungen und professionellen Selbstverständnisse von (angehenden) Lehrer:innen werden in allen drei Phasen an zwei Untersuchungsorten berufsbiographische und problemzentrierte Interviews durchgeführt. Die Studie ist in einem Längsschnittdesign angelegt, was bedeutet, dass einige der eingangs befragten Studierenden auch im Referendariat und Berufseinstieg begleitet werden.

Methodische und theoretische Zugänge

Es wird an rassismustheoretische Perspektiven angeschlossen, die Rassismus als grundlegendes gesellschaftliches Differenzverhältnis verstehen, in dem Menschen in natio-ethno-kulturelle Gruppen unterschieden werden. Unter dieser Perspektive sind Rassismen in allen Bereichen des gesellschaftlichen Zusammenlebens potenziell und zu einem Großteil implizit und subtil wirksam, sodass kein gänzliches "Außerhalb" von Rassismus möglich ist. Zentrale theoretisch-methodologische Zugänge stellen für GraL dar:

Critical Race Theory in Teacher Education (CRT)
Den Zugang der CRT zeichnet eine kontextualisierende und historisierende Analyse aus. Es wird dabei das Erfahrungswissen von Menschen of Color (BIPoC) anerkannt und einbezogen. Der aus dem US und UK-Kontext stammende Ansatz wird in GraL kontextsensibel adaptiert und weiterentwickelt.

Kritische erziehungswissenschaftliche Migrationsforschung
Theoretische und methodologische Ansätze aus der kritischen erziehungswissenschaftlichen Migrationsforschung beziehen sich auf Cultural Studies Zugänge zur rassismustheoretisch informierten Erforschung von Bildungsverhältnissen.

Derzeit wird an der Auswertung der ersten Studienergebnisse gearbeitet. Daraus entsteht ein Impulspapier, das sich mit dem Thema „Lehrer:innenbildung als Angstort. Professionalisierung unter Bedingungen von Rassismus“ befassen wird. Die für Anfang 2026 geplante Veröffentlichung des Papers nimmt das Verhältnis von Angst, Rassismus und Professionalisierung in den Blick und formuliert Impulse für eine rassismuskritische Lehrer:innenbildung. 

Aktuelle Aktivitäten sind ihr auf der Projekthomepage zu finden.

Vorträge und Workshops:

Seit Projektbeginn am 01.01.2023 wurden zahlreiche Vorträge und Workshops zu verschiedenen Projektthemen gehalten. Im Folgenden eine Auswahl von Beiträgen im Rahmen unterschiedlicher Veranstaltungen.

  1. Kommission Erziehung und Bildung in der Migrationsgesellschaft (KEBiM) in der Sektion Interkulturelle und International Vergleichende Erziehungswissenschaft (SIIVE) der Deutschen Gesellschaft für Erziehungswissenschaft in Kooperation mit der Technischen Universität Berlin für Wissenschaftler:innen in Qualifikationsphasen unter dem Tagungstitel: ‚Theorie, Methodologie und Empirie in der erziehungswissenschaftlichen Migrationsforschung‘. Beitrag von Roya Saadati Fashtomi: „Die Rolle des Erzählens in berufsbiographischen Interviews. Materialtheoretische Überlegungen zum Phänomen der Selbst-Narrativierung“. Beitrag von Jaël In't Veld: „Die Erziehungswissenschaft und ihre nationalstaatliche Reproduktion: Eine Kritik des methodologischen Nationalismus der (deutschen) erziehungswissenschaftlichen Sprache, Theorie und Methodologie“.
  2. „Forum gegen Rassismus“ mit dem Handlungsschwerpunkt „Rassismus und Schule“ Impulsvortrag von Roya Saadati Fashtomi zur rassismuskritischen Empfindungsfähigkeit als Element pädagogischer Professionalisierung.
  3. Abschlusstagung des Forschungsprojekts „ORAS – Organisation, Rassismus, Schule“. Beitrag von Jaël In't Veld und Katharina Schitow auf dem Panel zur „Rassismus- und antisemitismuskritischen Perspektive auf Schule“ zum Thema „Lehrer:innenbildung als Angstort“.

Publikationen

Dechêne, Jocelyn Jasmin (2024): Rezension: Hegemonie bilden. Pädagogische Anschlüsse an Antonio Gramsci, edited by María do Mar Castro Varela/Natascha Khakpour/Jan Niggemann. In: Vierteljahrsschrift für wissenschaftliche Pädagogik. 100, H. 1, S. 115-120.

Dechêne, Jocelyn Jasmin/ Meyer-Stolte, Laura (2024): Late Summer School „Methodologie rassismuskritischer Forschung“. 07.–09.12.2023, Universität Bielefeld. In: Zeitschrift für erziehungswissenschaftliche Migrationsforschung (ZeM), 3, H. 1+2, S. 199-203.

Dechêne, Jocelyn Jasmin/ Ohm, Vanessa (2024): Das Verhältnis von Rassismus und Klimakrise: Eine Reflexion im Rahmen pädagogischer Professionalität. In: Feuser, Inga/ Müller-Lehmann, Silke/ Oehmichen, Nora (Hrsg.): Zukunft gestalten. Lehrer:in sein in Zeiten existenzieller Krisen. Stuttgart. Raabe Verlag, S. 75-84.

Dechêne, Jocelyn Jasmin/ Shure, Saphira (2024): Rassismuskritische Fallarbeit in 'Praxisphasen' der Lehrer*innenbildung. Überlegungen zu Professionalisierung in Ordnungen der Differenz. In: journal für lehrerInnenbildung (jlb). 24, H. 4, S. 50-64.

Fashtomi, Roya Saadati (2024): Begegnung mit dem Fremden. Empirische Beobachtungen im Fach Praktische Philosophie aus rassismuskritischer Perspektive. In: Rabenstein, Kerstin/ Bräuer, Christoph/ Hülsmann, Delia/ Mummelthey, Samira/ Strauß, Svenja (Hrsg.):

Differenzkonstruktionen in fachunterrichtlichen Kontexten. Forschungsansätze und Erträge zu Differenz(de)konstruktion aus Fachdidaktik, Erziehungswissenschaft und Diversitätsforschung. Bad Heilbrunn. Julius Klinkhardt Verlag, S. 201-218.

Ohm, Vanessa/ Fashtomi, Roya Saadati (2024): Reflexivität als Anker rassismuskritischer Professionalisierung? - Fallarbeit als Aspekt reflexiver Professionalisierung. In: SEMINAR, Band 30 (1), S. 62-75.

Ohm, Vanessa/ Fashtomi, Roya Saadati/ In ‘t Veld, Jaël/ Shure, Saphira (2025): Lehrer*innenbildungsforschung als Rassismusforschung?. Theoretische Erkundungen zweier Felder und ihrer Relation. In: Heinrich, Martin/ Klewin, Gabriele/ Streblow, Lilian (Hrsg.): Zeitschrift für Schul- und Professionsentwicklung. Band 7. Nr. 3, S. 88-116.

Ohm, Vanessa Ohm & Shure, Saphira (i.E.): Forschung zu Rassismus unter Bedingungen von Rassismus. Eine Annäherung an Fragen der Forschungsethik und Forschungsreflexion mit Blick auf Auskunftsgebende und Forscher:innen. Zeitschrift für Qualitative Forschung.

Rangger, Matthias/ Shure, Saphira (2024): Rassismus. In: socialnet Lexikon. Bonn. www.socialnet.de/lexikon/Rassismus

Rangger, Matthias (2025): Cultural Othering in Social Work. Reflections from a Critical Race Perspektive. In: Social Work & Society, 22 (2), S. 1-13. ejournals.bib.uni-wuppertal.de/index.php/sws/article/view/1068/1519

Schitow, Katharina (2025): Institution-Wissen-Migration. Eine institutionelle Ethnographie in der Grundschule. Bielefeld. transcript Verlag.

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