Forschungsprojekt

RaDiGe: Rassistische Diskriminierung im Kontext psychischer Gesundheitsversorgung

Erfahrungen rassistischer Diskriminierung im Zusammenhang mit psychischer Gesundheit und Gesundheitsversorgung sind drängende gesellschaftliche Herausforderungen, die in Deutschland bisher kaum wissenschaftlich untersucht wurden. Das interdisziplinäre Projekt RaDiGe verfolgt das Ziel, Rassismuserfahrungen im Kontext psychischer Gesundheitsversorgung zu untersuchen. Die Verbindung von Lebens-, Sozial- und Geisteswissenschaften und die Nutzung eines Mixed Methods Ansatzes ermöglichen eine ganzheitliche Betrachtung der Forschungslücke. Es umfasst drei inhaltliche Arbeitspakete, die durch die Universitätsmedizin Mainz in Zusammenarbeit mit der Ernst-Abbe-Hochschule Jena und der Johannes Gutenberg-Universität Mainz umgesetzt werden. In enger Kooperation mit Praxisorganisationen, die Personen mit Rassismuserfahrungen vertreten, und den Forschungsprozess des Projekts mit rassismuskritischer Beratung unterstützen, werden die Ergebnisse genutzt, um evidenzbasierte Handlungsempfehlungen zu entwickeln. Inhalte der Arbeitspakete sind:

  1. Das Arbeitspaket Bedarfsanalyse baut auf einer qualitativen Interviewstudie und einer systematischen Übersichtsarbeit zu Rassismuserfahrungen im Zusammenhang mit psychischer Gesundheit auf. Im Rahmen der qualitativen Interviewstudie wurden insbesondere Identitätskonflikte, Stress sowie Symptome von Depression, Angst und Trauma im Zusammenhang mit Rassismuserfahrungen berichtet. Rassismuserfahrungen im Kontext des deutschen Gesundheitssystems waren vor allem Verleugnung von Rassismuserfahrungen, stereotype Zuschreibungen sowie Bagatellisierung von gesundheitlichen Problemen. In Bezug auf Psychotherapie benannten Teilnehmende Hürden bei der Suche nach einem Therapieplatz und überwiegend negative Behandlungserfahrungen im Umgang mit Rassismus. Dies äußerte sich unter anderem durch Bagatellisierung und Verleugnung von Rassismus. Die systematische Übersichtsarbeit fokussierte quantitative Erhebungsinstrumente zu rassistischer Diskriminierung im Rahmen der Gesundheitsforschung und mit Fokus auf den europäischen Kontext. Von 70 Studien wurden lediglich fünf im europäischen Raum durchgeführt, was auf die bislang geringe Relevanz des Themas in der europäischen Gesundheitsforschung hinweist. Rassistische Diskriminierung wurde in diesen Studien zudem fast ausschließlich im Zusammenhang mit Migration thematisiert. Über alle Studien hinweg, zeigte sich ein negativer Zusammenhang zwischen rassistischer Diskriminierung und (psychischer) Gesundheit, was die Notwendigkeit unterstreicht, die Erfassung rassistischer Diskriminierung systematisch in repräsentative und nationale, gesundheitsbezogene Erhebungen zu integrieren. Aktuell werden mittels einer Online-Fragebogenstudie Daten zu Rassismuserfahrungen und psychischer Gesundheit erhoben. Es kommen unter anderem Fragen zu rassistischer Diskriminierung und validierte Fragebogen zu psychischen Belastungen und Erkrankungen zum Einsatz. Weitere intersektionale Dimensionen werden analysiert, um Interaktionseffekte sowie Schutz- und Risikofaktoren identifizieren zu können.
     
  2. Das Arbeitspaket Zugangswege vertieft die Ergebnisse der Bedarfsanalyse durch ein randomisiertes Feldexperiment, welches die Zugänge und Zugangsgeschwindigkeit von Menschen, die potentiell Rassismuserfahrungen erleben, zu psychotherapeutischer Versorgung in Deutschland hinsichtlich etwaiger Zugangsbarrieren testet.
     
  3. Das Arbeitspaket Behandlungserfahrungen analysiert qualitativ, wie Menschen, die Rassismuserfahrungen machen, ihre psychotherapeutische Behandlung erleben, wie alltägliche Erfahrungen rassistischer Diskriminierung in der Behandlung aufgenommen und bearbeitet werden und welche Rolle sie in der therapeutischen Beziehung einnehmen. In diesem Arbeitspaket werden auch Erfahrungen von Psychotherapeut*innen beforscht.

 

Projektleitung: Universitätsmedizin Mainz, Klinik und Poliklinik für psychosomatische Medizin und Psychotherapie, Dr. Nora Hettich-Damm, Prof. Dr. Manfred Beute, Prof. Dr. Elmar Brähler

Verbund- und Kooperationspartner*innen: Ernst-Abbe-Hochschule Jena (EAH), Fachbereich Sozialwesen, Prof. Dr. Sören Kliem; Johannes Gutenberg-Universität Mainz (JGU), Obama Institute for Transnational American Studies, Department of English and Linguistics, Prof. Dr. Mita Banerjee

Praxisorganisationen: Institut zur Förderung von Bildung und Integration (INBI); Informations- und Dokumentationszentrum für Antirassismusarbeit e.V.; Magazin of Color; Islamische Arbeitsgemeinschaft Sozial- und Erziehungsberufe e.V. 

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RaDiGe Teilvorhaben

Rassistische Diskriminierung und psychische Gesundheit – Bedarfsanalyse und Behandlungserfahrungen

Dr. Nora Hettich-Damm
Universitätsmedizin der Johannes Gutenberg-Universität Mainz in Kooperation mit der Johannes Gutenberg-Universität Mainz (Prof. Dr. Mita Banerjee)

Experimentelle Analyse der Zugangswege zu psychotherapeutischer Versorgung

Prof. Dr. Sören Kliem
Ernst-Abbe-Hochschule Jena
University of Applied Sciences